Schmetterling (klein Heilbronn), 2022Kunststoff, LED, Live-Daten einer globalen Blitzkarte, ABS Gehäuse, Raspberry Pi Prozessor, Router, Dimmer 7 x 7 x 1,7 cm, 35 x 25 x 15 cm
Eine winzige LED-Glühbirne hängt in der Mitte des ersten Ausstellungsraums. Sie blitzt in unregelmäßigen Abständen und einer maximalen Latenz von 3 Sekunden auf und hüllt den Raum in flackerndes Licht. Der stroboskopische Lichteffekt ist bei Dunkelheit auch im Außenraum wahrnehmbar.
Schmetterling (klein Heilbronn) wird durch Echtzeitdaten gesteuert, die global durch Sensoren auf Schiffen und Wetterstationen Blitze registrieren. Bei jeder Blitzentladung leuchtet die Arbeit auf. Durch einen minimal invasiven Eingriff, eine bewusste Manipulation von Alltagsobjekten, wird unsere unmittelbare Umgebung mit dem aktuellen Weltgeschehen, Umweltkräften verbunden und als Einheit vermittelt. Es entsteht ein optisches Erlebnis, bei dem die Qualität des Lichtes ausschlaggebend ist. Felix Kiessling berührt mit dieser Arbeit die Frage der Präsenz und Verortung des Menschen in der Welt, dem Verhältnis zur Wahrnehmung eines großen Ganzen.
Grüne Sonne, 2022Mdf, Lack, Stahl, LED 150 x 150 x 40cmEin großes, kreisförmiges, an der Wand montiertes Objekt, das mit grünem Lack überzogen ist, bekommt durch die auf der Rückseite montierten Lichter eine rote Leuchtaura auf der Wand. Grüne Sonne befindet sich in unserer Reichweite, am Wandrücken des Hauptraums positioniert, scheint aber weder Maßstab noch Material zu haben und kreiert damit eine visuelle Irritation im Raum. Geboten wird ein Fenster zu einem Raum, den wir spüren, aber nicht ergründen können. Es könnte ein Ausschnitt in der Wand sein, ebenso gut eine konvexe Form, die auf uns zukommt.Nach Kiessling bietet dieser Moment, in dem die Dinge keinen vollständigen Sinn ergeben, die Chance, einen Blick auf eine objektivere Realität zu werfen - jenseits der Art und Weise, wie wir gewohnt sind, die Welt um uns herum zu verarbeiten, zu konstruieren und ihr einen Sinn zu geben. Im Vergleich zu dem schwarzen Vorgänger Antisonne, der als Loch gesehen und verstanden werden könnte, versteht der Künstler die farbige(n) Version(en) als Steigerung in ihrer analytischen Abstraktion. Das Werk bietet als handschrift- und duktuslose Farbfläche, und damit die einhergehende Vermeidung einer figürlichen und symbolischen Darstellung, einen erlösenden Moment im spannungsreichen Gesamtbild der Ausstellung.
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Schumann KB, 2022Modifizierter Kontrabass, ABS Gehäuse, Magnetspulen, Magnettonabnehmer, Vorverstärker, Lautsprecherverstärker, Raspberry Pi Prozessor218 x 70 x 40 cm
Ein nicht greifbarer, tiefer Klang zieht die Aufmerksamkeit der Betrachtenden auf einen selbstspielenden Kontrabass. Das automatisierte Instrument übersetzt die Schumann-Niederfrequenz in Echtzeit und lädt damit zu einer phänomenologischen Begegnung mit der Welt ein. Vier Magnetspulen regen die Saiten des Instruments an, spielen sie stufenlos, kontinuierlich, ohne die Saiten dabei zu berühren.
Während seiner Recherche zu unsichtbaren und weltumspannenden Umweltkräften - die alle dinglichen und menschlichen Entitäten verbinden - stieß der Künstler 2019 auf die sogenannte Schumann-Niederfrequenz. Die Tiefenfrequenz wird durch stetige Blitze verursacht, die den Raum zwischen der Erdoberfläche und der Ionosphäre durchdringen und mit der Atmosphäre als planetarischen Resonanzkörper eine Frequenz bilden. Sie ist Ursprung, Prozess und Zukunft und wird als Puls der Welt deskribiert. Kiessling entwickelt eine Antenne, um Very und Ultra Low Frequencies, darunter die ‚Schumann-Frequenz‘, zu empfangen und anschließend bildnerisch umzusetzen.
Seismisches Schlagzeug, 2022Eichenholz, Stahl, Hubmagneten, Schrittmotoren, Edelstahlfedern 182 x 90 x 20 cm, 147 x 35 x 15 cm
Der Künstler kreiert Drumsticks aus Eichenästen, die einseitig zu Schlagzeugstöcken freigeschnitzt und -gefräst wurden. Bewegt durch Schrittmotoren geben sie den Takt der Welt wieder. Gekoppelt an eine seismische Karte, trommeln die Eichenäste selbst kleinste Beben des Erdinneren gegen die Museumswände. Das vielfach ausgebeutete Naturgut unserer Konsumgesellschaft wird mittels Kiesslings subversivem Akt mit der Ursprungsform verbunden: Kultur trifft Natur, indem das menschlich erschaffene mit der natürlichen Vorlage verbunden wird. Kiessling erlaubt uns die Differenz - zwischen dem, was wir gewohnt sind zu sehen und für Realität halten und dem, was Realität sein kann - zu sehen. Die Frage nach der Überlegenheit der Schöpfung der Natur über den Menschen und Technik scheint dabei obsolet. Erst aus dem Gemenge kann ein Verständnis entstehen.
Als Ensemble übersetzt Schmetterling (Kraftwagen) mit Schumann KB und Seismisches Schlagzeug Phänomene unserer Erde in ein chaotisches Echtzeitkonzert, das weder in menschlicher noch künstlerischer Hand liegt. Stattdessen visualisiert Kiessling die Welt, die hinter der Erscheinungsform steht.
Schmetterling (Kraftwagen), 2022Mercedes 190 D, LED, ABS Gehäuse, Raspberry Pi Prozessor, Router, Dimmer, Technik 494 x 185 x 146 cm
Eine Autokarosse im Raum. Das Radio rauscht. Die ausgehöhlten Rücklichter flackern. Die Szenerie vermittelt den Eindruck eines abrupten Aufbruchs der imaginären Insassen. Wurde der Wagen geplündert? Ein seltsam, unbehaglich und schwer entzifferbares Bild entfaltet sich.
Schmetterling (Kraftwagen) ist eine Weiterführung von Kiesslings Schmetterling Serie. Wieder sind es Blitzdaten, die in dem industriell gefertigten Objekt flackern, und ihm eine seltsame Lebendigkeit verleihen, die in starkem Kontrast zu seiner Verlassenheit steht. Präsentiert wird ein Relikt und Symbol des deutschen Wohlstands, Wachstums und Konsums. Ein ästhetisch aufbereitetes ‚Unfallbild‘, ein Totalschaden, als Spiegel und Produkt unserer Fortschrittsgesellschaft. Es liegt im Auge der Betrachtenden, welche Gefühle das Konservierte hervorruft. Die Frage, was folgt scheint sich unweigerlich aufzudrängen.
Kletterfett Ensemble Gelb, 2022Lack, GHB, Anti-Climb-paint, Formalin auf Leinwand 240 x 160 cm
Der Wanderer, 2022Lack, GHB240 x 160 cm
Leipzig Schrankblau, 2022Lack, GHB240 x 160 cm
Sitzgelegenheit (orange), 2022 Zement, Stahl, Plastik, 82 x 45 x 62 cmSitzgelegenheit (hell blau), 2022 Zement, Stahl, Plastik, 81 x 52 x 61 cmSitzgelegenheit (grün), 2022 Zement, Stahl, Fieberglas, 89 x 46 x 65 cmSitzgelegenheit (dunkel blau), 2022Zement, Stahl, Plastik, 87 x 47 x 65 cm
Darf man oder darf man nicht? Mit den vier Sitzgelegenheiten bietet Kiessling den Betrachtenden ein weiteres Mal die Möglichkeit, das reale, industrielle und urbane Ambiente im Ausstellungsraum zu erleben und die Grenzen zwischen Design und Skulptur auszuloten. Die dem öffentlichen Stadtraum entwendeten Parkbankfüße, bestückte der Künstler mit modernen, farbigen Sitzschalen, die teilweise von einem großen schwedischen Möbelhersteller oder aus den 70-er Jahren stammen. Die Formkraft der namenhaften ‚Design‘-Objekte wird ins Brutalistische, Hässliche, Kaputte überführt, wobei die scheinbare Sicherheit der Massenanfertigung, die Beruhigung durch Symmetrie, sowie das Vertrauen in die bekannte Materialität negiert wird. Anstatt Wohnfühlstimmung entstehen zu lassen, wird Unsicherheit kreiert. Die Konfrontation mit einem Phänomen unserer Wegwerfgesellschaft, in der Dinge beliebig austauschbar und damit einhergehend keine Wertschätzung mehr erfahren, befragt die Resilienz der Gesellschaft.
Press Release (De)Felix Kiessling (*1980 in Hamburg, lebt und arbeitet in Berlin), bringt die Welt zum Klingen. Im dynamischen und komplexen Zusammenspiel aus Sound, Licht, Farbe, Found Objects und Datenverarbeitung kreiert der Künstler ein Ensemble, das schwer fassbare kosmische Phänomene auditiv und visuell in Echtzeit übersetzt. Mit kinetischen Skulpturen, einem selbstspielenden Kontrabass und Drumsticks aus Eichenästen, gelingt es dem Künstler, die sogenannte Schumann-Niederfrequenz sowie globale Erdbebenparameter sichtbar zu machen und damit den Takt der Welt zu visualisieren. In der medialen Zusammenführung von Gemälden aus Sprüh- und Kunstharz basiertem Farblack auf Leinwand, einem grün-bläulich schimmernden gegenstandslosen LED-Wandobjekt das den Titel Grüne Sonne trägt und zwei weiteren Licht-Arbeiten, die in Echtzeit weltweite Blitzvorkommen einer Wetterkarte abbilden, entfaltet sich ein Licht-und Klangraum als Labor der Sinne.
Spielerisch angeeignete technologische Funktionen ergründen das Unsichtbare, den verborgenen Sinn und widmen sich der Erforschung von Umweltkräften mittels ausrangierter Objekte wie einem Autowrack.
Der Blick auf unsere Um-Welt, die den Menschen im Anthropozän – durch die anhaltend rücksichtslose Ausbeutung der Ressourcen – umgibt, wird mit einem daraus resultierenden, desillusionierten Lebensgefühl zusammengeführt und entwirft folglich Bilder von einem Prozess, der zu kollabieren droht.
In der visuellen Vielfalt und Fülle entwickelt Felix Kiesslings ortsspezifische Installation eine konfuse Dynamik im Raum, die der Frage nachgeht, wie sich Verschleiß, Zerstörung und die Absurditäten unseres Alltags auf Grundlage diverser methodischer Betrachtungen beschreiben, verstehen, zusammenführen oder argumentum e contrario zweckentfremden lassen.
Quitte Eisen Soda skizziert in ihrer experimentellen Anlage neuartige, ‚glokale‘ Perspektiven, die einen empathischen Blick auf den urbanen Stadtraum im Kontext eines geschlossenen Kreislaufsystems liefert.
Als Echtzeitkonzert entwickelt die Ausstellung eine Partitur, die weder in künstlerischer noch menschlicher Hand liegt. Die innere Komplexität der Welt, die hinter der Erscheinungsform steht, wird als lautes Spektakel beleuchtet und erfahrbar gemacht. Um mit Bruno Latour zu sprechen, ist es die Welt, die musiziert, sich Gehör verschafft und die BesucherInnen des Museums zu Neuerfahrungen, Neuverknüpfungen und Re-Identifikationen mit unserem Planeten und dessen scheinbar nutzlosen und kaputten Überbleibseln einlädt.
Press Release (En)Felix Kiessling (*1980 in Hamburg, lives and works in Berlin), makes the world resonate. In a dynamic and complex combination of sound, light, color, found objects and data processing, the artist creates an ensemble that transposes aurally and visually elusive cosmic phenomena in real time.
With kinetic sculptures, a self-playing double bass and drumsticks made from oak branches, the artist succeeds in making visible the so-called Schumann resonance as well as global earthquake parameters, and thus visualize the beat of the world.
In the medial merging of paintings of spray and resin based paint on canvas, one green-blueish shimmering non-objective LED wall object titled Green Sun and two further light works, which show lightning occurrences of a weather map in real time, a light and sound space unfolds as a laboratory of the senses.
Playfully appropriated technological functions fathom the invisible, the hidden meaning; they are devoted to the exploration of environmental forces by means of discarded objects, such as a wrecked car. The view of our environment that surrounds humans in the Anthropocene - due to the ongoing ruthless exploitation of resources - is brought together with a resultant disillusioned attitude towards life, and consequently generates images of a process that is about to collapse.
In a visual diversity and abundance, Felix Kiessling’s site-specific installation develops a confused dynamic in space that explores the question of how wear and tear, destruction, and the absurdities of our everyday life might be described, understood, brought together, or conversely be misappropriated on the basis of diverse methodological considerations.
Quitte Eisen Soda in its experimental installation sketches novel, ‘glocal’ perspectives that provides an empathetic view of urban city spaces in the context of a closed-loop system. As a concert in real time, the exhibition develops a score that falls neither within artistic nor human control. The inner complexity of the world underlying the form of appearance is revealed and made tangible as a loud spectacle. In the words of Bruno Latour, it is the world that makes music, makes itself heard, inviting the visitors of the museum to re-experience, re-connect and re-identify with our planet and its seemingly useless and broken remnants.
CreditsThank you Matthia Löbke,Constantin Engelmann for mechatronic and programming,Violin maker Andreas von Niederhäusern for string consultancy,Autoverwertung Weiser for their support,Marietta Auras for the upcoming video documentation,Frank Kleinbach for the foto documentation,Alexander Levy and Lydia Ahrens for their supportand Bolko Okulla and Celena Omer for all the hard work.